Die Freie Wohlfahrtspflege lässt sich geschichtlich weit zurückverfolgen. Dabei war es stets der Wandel gesellschaftlicher und staatlicher Verhältnisse, der Form und Inhalt ihrer Arbeit bis heute entscheidend prägte. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte die Gründung der Spitzenverbände, die auch heute noch die Strukturen der freien Wohlfahrtspflege bestimmen. Von 1848 bis 1925 entstanden:

  • Central Ausschuss für die innere Mission der Deutschen Evangelischen Kirche (1848) als Vorläufer des Diakonischen Werks der EKD (1957)
  • Deutscher Caritasverband (1897)
  • Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden (1917)
  • Arbeiterwohlfahrt (1919)
  • Die „Vaterländischen Frauenvereine vom Roten Kreuz“ (1866) als Vorläufer des Deutschen Roten Kreuzes (1921)
  • Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (1924)

Diese organisatorischen Zusammenfassungen von privaten Einzelhilfen geschahen in einer geschichtlichen Phase die durch Massennotstände und Kriege gezeichnet war, vor allem aber durch die negativen sozialen Folgen der ersten Industrialisierungsphase. In dieser Zeit entwickelte sich die staatliche Armenpflege (kein Rechtsanspruch) hin zur Fürsorge (gesetzlich geregelt). Auch die Freie Wohlfahrtspflege wurde nunmehr durch Impulse aus den sozialen Reformbewegungen jener Zeit nachhaltig geformt: Arbeiterbewegung, beginnenden Frauenbewegung, Jugendbewegung, Reformpädagogik, Erneuerungsbewegung in den Kirchen.


Die Freie Wohlfahrtspflege trug in erheblichem Maße zur Herausbildung eines demokratischen Gesellschaftsbewusstseins bei. In der Weimarer Verfassungswirklichkeit wurde die Freie Wohlfahrtspflege Grundbestandteil freiheitlicher Sozialordnung. Der Zeitraum von 1933 -1945 war für die Spitzenverbände mit schweren Repressionen und staatlichen Eingriffen verbunden. Unter dem Nationalsozialismus wurden sie kontrolliert, mussten Tätigkeiten einschränken bzw. gänzlich einstellen und waren der Verfolgung ausgesetzt.


Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges gelang es den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege ihre Arbeit fortzuführen bzw. sich neu zu gründen, wobei allerdings die Arbeit der Wohlfahrtsverbände in Ostdeutschland nur eingeschränkt möglich war. Die drängenden Probleme der Flüchtlinge, Vertriebenen, Heimkehrer und Obdachlosen bestimmten nun die Arbeit der Wohlfahrtsverbände. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 und dem nachfolgenden wirtschaftlichen Aufbau konnten sich die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege wieder ihrem breiteren Aufgabenspektrum zuwenden. Ab 1990 erfolgte die Zusammenführung der ostdeutschen und westdeutschen Wohlfahrtsverbände.

 

Die Wohlfahrtsverbände haben mit ihrer z.T. weit in die Geschichte hineinreichenden Tradition ein Fundament für den Sozialstaat der Bundesrepublik Deutschland gesetzt. Das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes (Art. 20 und 28) basiert u.a. deutlich auf den Geboten der christlichen Nächstenliebe und der Humanität. Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtsverbände setzten sich für die Weiterentwicklung des sozialverantwortlichen Handelns ein, unter Beachtung der tragenden Prinzipien Solidarität (Teilen mit Leistungsschwachen), Subsidiarität (Zurückhaltung staatlichen Handelns) und Personalität (individuelles Eingehen auf Notlagen von einzelnen). Dabei agieren die Wohlfahrtsverbände nicht nur als Träger sozialer Dienste und Einrichtungen, sondern motivieren Menschen zum ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl und sehen sich als Anwalt für Hilfebedürftige im Sinne sozialer Gerechtigkeit.